Um auf Facebook überzeugend zu sein, musst Du Dich von den Vorstellungen des klassischen Marketings verabschieden. Welches Umdenken zum Erfolg führt, erfährst Du hier.
„Der erste Schritt ist die Befreiung aus der Facebook-Ohnmacht,” erklärt Socialmedia Doktor Sebastian Riehle im Interview, „denn die Angst vor Social Media hemmt viele Unternehmen, überhaupt erst damit anzufangen.“
Dabei kristallisieren sich immer dieselben Probleme heraus:
- Angst vor Kritik
- keine Zeit
- kein Budget
- oder mangelnde Kenntnisse.
In diesem Artikel entdeckst Du Möglichkeiten zur Heilung der benannten Leiden.
Dass dies auch für kleine Unternehmen funktioniert, erklärt Riehle an einem Beispiel. Es kann so einfach sein. Er nennt einen Friseurladen mit zwölf Mitarbeitern, dessen Seite mittlerweile über 8000 Likes auf Facebook erreicht hat. Dort wurde selbstständig umgesetzt, was Socialmedia Doktor immer wieder empfiehlt:
… Inhalte, die eine Marke nahbar, persönlicher und sympathisch machen, also Relatable Content anstatt plumper Werbung. Und vor allem keine Angst vor dem so genannten Shitstorm, der vor allem bei kleinen Unternehmen meistens sowieso nicht kommt.”
Wie Du den besten Einstieg ins Facebook Marketing findest
Die Vorbereitungen sind dieselben wie beim klassischen Marketing. Das Ergebnis muss aber an das „Soziale“ im Begriff Social Media angepasst werden.
Der größte Fehler ist meist, ohne Strategie zu arbeiten, einfach irgendetwas zu machen, ohne zu wissen, warum, wo, was, wie und für wen überhaupt.“
Der beste Einstieg sei eine grobe Zielgruppenanalyse auf Facebook. Erstens, um zu sehen, ob die Zielgruppe überhaupt dort aktiv ist. Und zweitens, um feststellen zu können, wie der Tonus ausfallen sollte, welche Inhalte gut ankommen und wie diese vermittelt werden könnten.
Für entsprechende Inspirationen empfiehlt Riehle das Tool www.fanpagekarma.com (AFF). Dort lässt sich gut analysieren, wann andere Marken erfolgreich posten, wie die Inhalte aussehen und was am besten ankommt.
Hier bekommst Du eine Anleitung zur Facebook Konkurrenzanalyse.
Danach sollte es aber auch um die Problemlösung einzelner Kunden gehen, die an die Marke herantreten.
Eine tiefergreifende Analyse der Zielgruppe ist essentiell, um die Leiden der Zielgruppe genau herauszufinden. Nur dann kannst Du sie auch mit Deinen Inhalten und Angeboten heilen.”
Es ist nicht mehr zeitgemäß, die Menschen in Schubladen stecken zu wollen und zu meinen, dieselbe, skriptgeleitete Antwort würde zur Lösung vielerlei verschiedener Anliegen führen.
Wie Du Dein Angebot optimierst und gleichzeitig Kunden an Dich bindest
Allgemein überzeugt dabei schon der oben beschriebene Ansatz der Problemlösung. “What’s in it for me?“ ist das Credo der Social Media- und Content-Marketing-Gemeinde.
To speak with a human voice, companies must share the concerns of their communities.“
Cluetrain Manifesto These 34
Es geht aber auch nicht mehr nur darum, die Werbekeule möglichst weit zu schwingen, sondern vielmehr, dem Prosumer als Individuum etwas anzubieten, das keine Werbung ist: Information, Unterhaltung oder Service.
Bewertungen und Kommentare nehmen natürlich auch Einfluss auf die Marke, so Riehle:
Beschweren sich zehn Leute über Deinen Kaffee, dann ist der Kaffee vielleicht wirklich schlecht. Das Unternehmen sollte auf jeden Fall reagieren und etwas ändern. Wenn aber nur ein Mitarbeiter einen schlechten Tag hatte, sollte man sich entschuldigen, aber nicht gleich das ganze Produkt über den Haufen werfen.“
Reagieren Unternehmen kompetent auf die Einwände der Community, können sie sogar von den Ideen der Prosumer profitieren:
Wenn das Produkt schon ganz gut, aber noch unausgereift ist, kann der Kundenbewertung vielleicht entnommen werden: “Ich hätte gerne noch die Funktion XY dazu.”
Darauf kann das Unternehmen antworten: “Danke für den Input, wir werden das gern prüfen bzw. in Zukunft berücksichtigen” – was dann aber auch passieren sollte.
Durch die Integration von konkret geäußerten Kunden-Bedürfnissen werden nicht nur die eigenen Produkte verbessert, sondern die Kunden werden auch in das Marketing integriert und so langfristig an das Unternehmen gebunden.
Das Prinzip ist nicht neu, aber Social Media wirkt in dieser Hinsicht wie ein Katalysator.
Warum Beratung und Unterhaltung die bessere Werbung sind
Beim Social Media Marketing sollte es vordergründig darum gehen, Beziehungen und Vertrauen aufzubauen. Ein Kauf kann später noch immer erfolgen.
Hier könnte kritisiert werden, dass dies keine „Werbung“ im üblichen Sinne mehr darstellt, sondern vielmehr eine Beratung ist. Genau das ist auch der Fall, denn diejenigen, die über Mundpropaganda Werbung machen, sollten die Kunden sein und weniger das Unternehmen selbst.
Was klar als Werbung erkannt wird, wird schnell ausgefiltert. Aber den „Peers“ wird mehr Vertrauen geschenkt als einer abstrakten Marke. Über Relatable Content erscheinen Unternehmen menschlicher und stellen sich damit ein Stück mehr auf eine Stufe mit den Kunden.
Überspitzt gesagt, besteht eine gelungene Facebook-Seite aus 80% Relatable Content, um die 20% Angebote zielgruppengerecht zu verpacken.“
Auf diesem Wege wird die „Kauf mich!“-Botschaft nicht mehr plump ins Gesicht gebrüllt, sondern eine persönliche Beziehung aufgebaut. Wird den Prosumern nun tatsächlich geholfen, werden sie informiert und unterhalten, wird aus dem Adressaten wieder ein Empfänger.
Dieses „Verschleiern“ der Werbung spielt eine gewichtige Rolle im Social Media Marketing. Sie ist vor allem deshalb interessant, weil „[…] Werbung zu 95 % unbewusst wirkt“ (Held, Dirk und Christian Scheier: Wie Werbung wirkt: Erkenntnisse des Neuromarketing. München: Haufe, 2006. S. 11.)
Wichtig ist aber bei all diesen Aspekten eines – die Authentizität:
Learning to speak with a human voice is not a parlor trick. It can’t be „picked up“ at some tony conference.”
Cluetrain Manifesto These 33
Auch im Cluetrain Manifesto liegt bereits der Vorwurf der Trickserei vor, der wohl so alt wie die Rhetorik selbst ist: „Auf eine menschliche Art sprechen zu lernen ist kein billiger Zaubertrick, den man sich auf einer schicken Konferenz aneignet.“
Gefordert wird eine ehrliche, „menschliche“ Sprache, die individuell auf Probleme eingeht anstatt künstlicher, skriptgeleiteter Kommunikation. Wenn sich ein Gespräch über das Produkt dialogisch entwickelt, wirkt die Kommunikation deutlich authentischer.
Die Lockerheit, die in den sozialen Medien laut Riehle zum Grundtonus gehören sollte, wird auch im Manifest großgeschrieben:
Companies need to lighten up and take themselves less seriously. They need to get a sense of humor.“
Cluetrain Manifesto These 21
Unternehmen müssen sich demnach entspannen, sich selbst weniger ernst nehmen und eine Art Humor entwickeln.
Wird nun also ein lustiger Spruch oder eine süße Grafik im Facebook-Feed angezeigt, macht dies ebenso auf die Marke aufmerksam wie die klassische Werbung, die lediglich auf die eigenen Produkte verweist. Der Kunde ist aber nun nicht mehr genervt davon, sondern bestenfalls unterhalten oder gut informiert.
Riehle hält “Edutainment” für ein probates Mittel im Social Media Marketing und verweist auf seinen Doktor-Avatar.
Transparenz trotz Verschleierung
Wenn man durch den Newsfeed scrollt und erkennt, dass einfach nur plump etwas verkauft werden soll, blendet man es einfach aus und zieht weiter.“
Der Overload durch das klassische Marketing zeigt sich hier überdeutlich. Im Zeitalter der visuellen und auditiven Marktschreierei ist das „verschleierte Einflüstern” über Social Media vielleicht der bessere Weg. „Persuasive Kommunikation, die ihre Absichten und ihren Kunstcharakter offen ausstellt, droht […] stets zu scheitern.“ (Till, Dietmar: „Verbergen der Kunst (lat. Dissimulatio artis)“. In: Historisches Wörterbuch der Rhetorik. Band 9. Herausg. Von Gert Ueding. Tübingen: Max Niemeyer Verlag, 2009. S. 1034)
Wenn Unternehmen kompetent auf Lob und Probleme eingehen beziehungsweise ehrlich versuchen, sie zu lösen, ist das ein Vertrauensbonus, auch für die mitlesenden Nutzer. Das Unternehmen zeigt transparent, dass es sich um seine Kunden kümmert.”
Um neue Kontakte überzeugen und bestehende Kunden binden zu können, sollte auf Facebook auch darauf geachtet werden, dass die Seite aktuell gehalten und auf Kommentare zeitnah eingegangen wird, denn:
Wenn ein Interessent auf die Fanseite kommt, die schon zwei Jahre nicht aktualisiert wurde, fragt er sich, ob das Unternehmen überhaupt noch besteht und ist womöglich mit einem Klick wieder weg.“
Auf Facebook wird des Weiteren öffentlich angezeigt, wie schnell Anfragen von den Fanseiten beantwortet werden. Auch können Kunden Bewertungen abgeben und Sterne verteilen.
Imagetransfers und Personalisierung über Social Media
Im Hinblick auf den Inhalt beziehungsweise “Content“ empfiehlt Riehle die Selbstbeobachtung. In den sozialen Medien sind wir schließlich alle Prosumer. Also: Was like ich selbst bei anderen Unternehmen? Klassische Werbung? Angebote? Meist eben nicht.
Vielmehr sind es ja die Beiträge, die einem nicht wie Werbung vorkommen, aber im Endeffekt dieselbe Wirkung haben. So können durch den Relatable Content auch Imagetransfers hergestellt werden:
Das Image der Quelle oder des Autors färbt immer auch ein wenig auf das Unternehmen ab. Also wenn ich Einstein zitiere, werde ich im Rückschluss auch als schlau wahrgenommen.“
Über Social Media wird somit verhältnismäßig einfach und kostengünstig ein bestimmtes Image der Marke vermittelt und ein Vertrauensverhältnis mit den Kunden aufgebaut: „Dieses Unternehmen denkt wie ich. Das gefällt mir. Zeig mir mehr!“.
Die Personalisierung in den sozialen Medien ist unerlässlich. Das „Soziale“ darin zeigt ja bereits, dass wir dort mit Menschen kommunizieren und nicht mit Abstrakta wie einer Marke.
Menschen unterhalten sich lieber mit anderen Menschen als mit Markenlogos!“
Daher sollten Unternehmen sich im Internet selbst auch als Persönlichkeit verstehen und menschliche Züge annehmen. Dies geschieht durch Geschichten, die auf konkrete Kundenprobleme zugeschnitten sind. Sie animieren aber nicht direkt zum Kauf, sondern bauen eine persönliche Brücke zum Kunden auf. Storytelling ist hierbei das Zauberwort.
Fazit: Wie Social Media Marketing wirkt
Der Relatable Content lässt Marken persönlicher, greifbarer und sympathischer wirken. Die Kunst der Kundenbindung und –werbung wird verschleiert und mindert so den Widerstand gegenüber der Werbung.
Unternehmen positionieren sich in den sozialen Medien durch Relatable Content gegenüber einer klar definierten Zielgruppe, um diese zielgerichtet zu beeinflussen.
Die Frage der Kunden – “what’s in it for me?“ – wird durch Problemlösungen, kostenfreier Beratung und Unterhaltung beantwortet. Werden die Bedürfnisse der Kunden ernstgenommen und integriert, kann dies zu einer sehr hohen Kundenbindung führen.
Das Social Media Marketing wirkt bei dieser Lenkung aber natürlicher und weniger aufdringlich als die klassische Werbung. Dabei muss der Lifestyle der Marke – und nicht das Produkt oder die Dienstleistung an sich – nach außen kommuniziert werden. Die Kunden wollen daran teilhaben und den Lifestyle der Marke auch im Sinne ihres Selbstbildes weitertragen.
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Johannes grosse Macke says
Hi Julia,
schönes Interview. Keine Angst vor Social Media und helfen statt verkaufen!
Guter Tipp mit dem Fanpage Karma-Tool. Kannte ich noch garnicht.
Gruß, Johannes
Julia Siedler says
Hallo Johannes,
freut mich, dass ich Dir mit dem Interview helfen konnte 🙂
Alles Gute und viel Erfolg
Julia